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Ein Interview mit dem TOSCA-Duo Rupert Huber und Richard Dorfmeister 

Das Cover von „J.A.C.“ ist aus echtem Leder. Eine kostenintensive Herausforderung für die Plattenfirma !K7. Warum ist Euch aufwendiges Coverdesign so wichtig?

RD: Bei uns ist das eine Zusammenarbeit. Wir zwingen die Plattenfirma nicht in die Knie, sondern wir arbeiten zusammen. Weil es ja auch schon so eine lange gemeinschaftliche Arbeitsgeschichte zwischen !K7 und G-Stone gibt, und speziell Tosca. Wir konzentrieren uns immer auf eine Verpackung, die etwas Besonderes ist und hält, auch für längere Zeit. In diesem Fall ist es eine Variante, die es in der Form, glaube ich, noch nicht gegeben hat. Es soll immer neu sein in der Art, wie es sich anfühlt. Das hat mehrere Gründe. Erstens, damit es generell etwas Besonderes ist. Und zweitens als etwas Besonderes für alle Plattensammler, weil man solch eine Platte halt nicht second hand findet. Sie ist allein vom Material so wertvoll, dass sie eigentlich sofort vergriffen ist. Und wenn die Musik dann auch noch gut ist, ist es natürlich super. Auf jeden Fall hat das für uns einen ganz wichtigen Stellenwert. Natürlich kann man darüber streiten, ob das zeitgemäß ist oder ob in Zeiten des Downloads das überhaupt noch irgendjemand braucht. Aber wir kommen halt noch aus einer Schule, in der das eine extreme Bedeutung hatte, das Studieren des Covers, das Lesen des Kleingedruckten und jenes Gefühl, das durch die Kombination von Graphik und Sound entsteht. Das ist uns sehr wichtig. 

RH: Wenn schon, denn schon. Wenn man kein Cover braucht, kann man sich’s gern downloaden. Wenn wir aber schon ein Objekt machen, dann soll’s auch ein Objekt sein und nicht eine Verpackung. 

Andererseits ist ein einzigartiges, nicht kopierbares Cover Artwork gerade in Zeiten des Downloads wichtiger denn je. Hört das Auge mit?

RD: Völlig! Ganz wichtiger Punkt. Es macht nur keiner mehr. Weil es sich ja auflöst, das Covergetue. Aber, wie Du selber sagst: umso wichtiger, dass man solch ein Statement setzt, Oldschool Style.

Was könnt Ihr über die Zusammenarbeit Eures Labels G-Stone mit !K7 sagen?

RD: Das ist genauso, als wenn du eine Band zusammenstellst. Die geht oftmals wieder auseinander, weil man feststellt, dass es nicht gut geht. Schafft man es aber, wie bei einer Beziehung, einige Tiefen und lange Zeiten zu überbrücken, dann arbeitet oder lebt man so gut zusammen, wie man es sich nie hätte vorstellen können. Ich glaube da total dran. Ich bin so ein Typ, der dann bei dem bleibt, was er hat. Ich bin nicht so geldgierig oder greedy, dass ich mir für jedes Projekt eine neue Firma suche, nur um da noch mehr Geld raus zu holen. Uns geht es mehr um Langlebigkeit. Außerdem machen wir die Musik vor allem auch für uns selbst. Wir machen Sachen, die wir gerne selber hören wollen. Es geht weniger um den Verkaufsaspekt. Die Idee ist, dass man unsere Alben nebeneinander stellen und hören kann, und auch in zehn Jahren noch hören kann, ohne das Gefühl zu haben, sie seien nicht mehr zeitgemäß. Deswegen sind wir vielleicht auch nicht so trendverseucht. Da hörst du halt nicht wirklich Elektro raus oder Rock oder was halt gerade in diesem Jahr angesagt ist. Dieses Jahr haben wir wahrscheinlich wieder mehr Folk, wie es scheint. Wir bleiben unserem Stil treu, ob wir es wollen oder nicht. Es geht gar nicht anders.

Wo seht Ihr Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Labelphilosophie von G-Stone und der von !K7?

RD: G-stone faul, !K7 fleißig.

RH: Kurz und prägnant.

RD: Nein, G-Stone Kreativ-Pool, !K7 Umsetzungsplattform. Da ergänzen sich gewisse Dinge gut. G-Stone wird zwar auch immer organisierter, aber eigentlich war es immer ein Freak-Label. Es war nie so ernst gemeint, sondern immer eher so, ok, bringen wir was raus und schauen wir, was passiert. Jetzt wird das natürlich immer besser organisiert, aber mit !K7 haben wir einen guten Partner, vor allem für die größeren Projekte.

Wie beurteilt Ihr die Entwicklung von G-Stone Recordings - vom Spaßprojekt zum immer größer werdenden Label?

Das ist auch ähnlich wie bei einer Beziehung. Es sind Dynamiken, die einfach passieren. Man lernt, damit umzugehen. Du machst das Beste draus, anyway. Ich mein, wir machen das Ganze jetzt schon so lange. Das verläuft wellenförmig. Plötzlich beschließt die Welt, dass dieser Sound angesagt ist, und dann kommt wieder ein großer Schwall und es ist stärker als sonst. Glücklicherweise haben wir bereits eine feste Fanbasis. Sie geht zwar nicht in die Millionen, aber es gibt ein paar tausend Menschen, die unserem Sound folgen; die uns zwar nicht blind folgen, sich aber irgendwo auf unseren Sound verlassen. Und das gibt es ja eh schon kaum noch. Die meisten Platten sind Enttäuschungen, weil man am Ende doch nur einen Song davon hört. Nicht, dass wir jetzt unbedingt unsere Fans andauernd verwöhnen wollen, aber ich glaube schon, dass einige Leute auf unseren Sound stehen. Auch weil er nicht hundertprozentig Chill oder Trip Hop ist, um dieses Wort zu verwenden, sondern weil es eher einen eigenen Stil beschreibt. Deshalb sehe ich uns auch lieber im Rock/ Pop-Fach als im Elektronik-Fach.

RH: Etwa vergleichbar, wie wenn ich gerne Raymond Chandler lese und dann vom neuen Buch enttäuscht bin, weil das Liebesgeschichten sind. Oder wie Richard vorhin gesagt hat, wenn man sich eine J.J. Cale Platte kauft und dann ist da ein Eighties-Drum-Loop drauf mit irrsinnigem Hall. Hat er probiert, aber das ist dann einfach, na ja, da merkt man, es ist irgendwo einfach eine Identität mit dem, was einer macht oder was zwei machen. Dann hat man entweder das Gefühl, das ist richtig oder das ist jetzt irgendwie kalkuliert.

RD: Um J.J. Cale anzusprechen, der hat zum Beispiel nie eine Disco-Platte gemacht. In den 70er und 80er Jahren, der Disco-Zeit, ist er seinen Blues-Wurzeln treu geblieben. Auch John Lee Hooker hat nie ein Disco-Album gemacht. Aber es gibt viele Funk-Jazz-Leute, die ab 1978 Disco-Alben gemacht haben, die teilweise irrsinnig schlecht, zum Teil aber auch sehr gut waren. Herbie Hancock mit „Rock It“ ist in etwa vergleichbar mit dem Moment, als Bob Dylan zur E-Gitarre gegriffen hat. Es ist schon gut, wenn man sich erneuert. Aber in gewisser Weise ist Bob Dylan sich dann auch wieder treu geblieben, allein durch seine Texte und seine Art. Man bleibt sich also treu und kann auch gar nicht anders. Sobald du so tust, als wärst du jemand anderes, funktioniert es nicht.

RH: Das ist vielleicht der Unterschied zwischen dem Denken eines Künstlers und reinem  Produzentendenken. Wir schauen nach innen oder einander ins Gesicht, mit den Ohren, wenn man das so sagen kann, und nicht so sehr nach außen auf das, was jetzt gerade angesagt ist. So wie der Typ, der da rum fährt und seine eigenen Platten kauft. So weit kommt’s noch.

Wie löst Ihr das Problem, einerseits den Fans einen verlässlichen Sound zu bieten und Euch  andererseits als Künstler weiter zu entwickeln?

RD: Ich glaube, die Fans wachsen mit uns. Die werden ja auch nicht jünger. Die haben dann ja auch Kinder in Wirklichkeit. Die leben ja mit dir. Und so beschreibt es dann ja auch wieder ein Jahr, jetzt schon rückblickend, ein Jahr deiner Entwicklung, und du erinnerst dich an all das, was passiert ist. Also mir geht das so. Aus dem Jahr 1993 habe ich die und die Platten und da war die und die Musik wichtig. Das ist dann das ultimative Tagebuch. Deshalb würde ich meine Platten auch niemals verkaufen. Weil das, fast besser noch als ein Fotoalbum, so viele Erinnerungen wachruft, die sich in keinem Text oder Fotoalbum speichern lassen. Ähnlich wie die alten Tapes in der Schule. Das hat unglaublichen Wert, finde ich. Und so beschreibt das jetzt das Jahr 2005, mit den Kids, neue Situation. Kann man jetzt noch nicht beurteilen, ob das gut oder schlecht ist, es ist einfach. Deshalb machen wir das alle paar Jahre mal, um zu sehen, wo man steht.

Das Album trägt die Namen Eurer Söhne (J.A.C. = Joshua, Arthur, Conrad). Inwieweit haben die Kinder Euer Leben verändert und wie äußert sich das in Eurer Musik?

RH: Ein gutes Element ist, dass das eine schöne körperliche Erfahrung ist, wenn so ein Ding auf einem rumkrabbelt. Der Arthur hat mich die längste Zeit in den Zeh gebissen, das war lustig. Jetzt ist er anderthalb Jahre alt, so mit einem Jahr halt. Dadurch ist es eigentlich, wenn man vorher so mit sich selber mehr oder weniger allein ist, ist es ein bisschen entspannter geworden, von der körperlichen Seite. Das löst beim Spielen vielleicht ein paar Barrieren, die man sonst hätte aus Vorsicht oder aus Isolation. Dadurch, dass das für kurze Zeit, bis die größer werden, die physische Isolation auflöst, kann man vielleicht sagen, dass das Spielen besser fließt oder die Finger einfach mehr von selber loslaufen. Also das wäre jetzt wirklich der einzige wirkliche Zusammenhang mit der Babygeschichte.

RD: Wir wollten die Kinder auch nicht als Verkaufsargument hochziehen. Vielleicht kommt das im Pressetext falsch rüber. Das ist eigentlich nur eine Widmung an die Kids, die sich dann in zehn Jahren vielleicht darüber freuen, dass wir ihnen das damals gewidmet haben. Aber mehr soll es eigentlich nicht sein. Wir halten die Babies nicht als Verkaufsargument hin, you know.

Wie wirkt sich die Vaterrolle auf Eure Arbeit als DJs aus, wo man doch meist nachts arbeitet und viel unterwegs ist? Ist das noch in bisheriger Form machbar?

RD: Weniger, und dann bist du aber auch wahrscheinlich besser, weil konzentrierter. Alles ist relativ, hat einen anderen Wert bekommen. Wichtigkeiten haben sich völlig verschoben. Also jetzt so daily moodiness oder schlecht aufgelegt sein wegen irgendetwas, ich glaub nicht, dass das noch in der Form vorkommt. Ich mein, natürlich kommt es vor, aber anders. Weil du das immer in Relation zu deinem Kind siehst. Da werden so viele day-to-day problems so lächerlich. Vielleicht wird man dadurch auch im Studio besser und nutzt die Zeit konkreter und ist vielleicht auch beim Auflegen besser, weil man es, glaube ich, stärker spürt.

Äußert sich diese Leichtigkeit in so lustigen Songtiteln wie „Naschkatze“, „Damentag“ und „John Lee Huber“?

RD: Lustig ist ja für dich wahrscheinlich überhaupt nicht witzig, das ist ja schon für uns im Ansatz höchstens halblustig. Aber ich glaub, wir brauchen das einfach. Wenn das so eine irre Bedeutungsschwere bekommt, dann wollen wir das nicht mehr haben. 

Leichtigkeit beweist Ihr auch mit den Texten Eurer Songs. Deren Inhalt, so überhaupt vorhanden, ist meist sekundär. Welche Funktion haben die Texte Eurer Songs?

RD: Also wir haben auch einen Ragga-Track aufgenommen, der nicht auf dem Album ist, wo im Patois-Stil gesungen wird: „Solve the problems, we have to work to unite the world, Babylon“ und der ganze Wahnsinn. Ich glaube, da sind wir die Falschen. Verbessert die Welt – mehr um die Ecke gedacht, als so vorsätzlich mit Zeigefinger. Denn das machen wir gar nicht.

RH: Das war halt immer die Idee und das gilt nach wie vor, dass man die Stimmen wie ein Instrument sieht. Bei „Fuck Dub“ war das „dadadadida“. Vom Text her ist „Suzuki“ vielleicht die Weiterentwicklung mit „tschktschk“. Und dann sind wir eigentlich so weit durchgestiegen in dem Thema, dass wir wirkliche Texte trotzdem so behandeln, als ob es eine Gitarrenstimme oder so wäre. Deshalb ziehen wir es vor, wenn es in den Nonsens oder ins Assoziative rutscht und nicht so „ich fühl mich gut“ oder „ich fühl mich schlecht“ oder „wählt Ratzinger“ oder irgend so etwas.

RD: Can haben das ähnlich gemacht. Can haben immer absurde Vocals verwendet. Bei uns war das eher zufällig, dass uns das mehr angesprochen hat, weil wir aus der Instrumentalmusik kommen und die Vocals wie ein Instrument behandeln. Oft ist das den Vokalisten auch nicht ganz klar, wieso wir das machen und dann oft Teile aus den Aufnahmen verwenden, die gar nicht für die Aufnahme gedacht waren sondern eher von diesem Denken kommen. Das ergibt dann auch Teile unseres Stils, scheinbar.

Wie kam es zu Songtiteln wie „Heidi Bruehl“? Seid Ihr alte Immenhof-Fans?

RH: Überhaupt nicht. Da war ich damals schon zu alt dafür. Irgendwie kam das so, dass wir beschlossen haben, bei dem Album, im Zuge des Gesichterzeigens und Hosenrunterlassens, dass wir bei den Arbeitstiteln geblieben sind. Es zieht sich durch, dass das eigentlich lauter Nonsens-, im Duo-Produktionszug entstandene Titel sind. Dadurch heißt es „Heidi Brühl“, weil es nicht Udo Jürgens heißt.

Der Song „Pyjama“ von „J.A.C.“ erinnert an Roy Ayers. Eine Inspiration für Eure Musik?

RH: Na ja, das ist sicher eine Ecke, die wir nicht total ausschließen können aus dem, was wir mögen, sagen wir mal so. Eine Wirtschaftsministerantwort. Das sind eigentlich immer irgendwelche Assoziationen, wo man ein Wort in die Luft wirft, weil das grad so klingt. Das war jetzt „Pyjama“ versus „Nachthemd“, ursprünglich. So wie durch die Basslinie und die Vibraphone und die Keyboardlinien und dann diese Brasilo-Gitarre nachher – als ob das so eine Diskussion wäre: wer ist jetzt besser? Im Pyjama schlafen oder mit Nachthemd schlafen oder nackt?

Wie wählt Ihr Eure Gastvokalisten aus? Auf „J.A.C.“ finden sich dieselben Namen wie bei „Dehli 9“. Eine Art Familie?

RD: Wir erweitern unseren Familienstamm. Nicht nur indem wir Kinder zeugen, sondern auch indem wir unsere Sänger gut pflegen. In gewisser Weise Leute, die keine Weltstars sind, sondern Menschen, mit denen wir uns auch so gerne mal treffen und mal abhängen können, wo es nicht nur so ein professioneller Aufnahmecheck ist. Das ist ganz wichtig für uns. Leute, wo man das Gefühl hat, man würde live spielen und es geht total schief, aber es gibt keinen Eklat. Solche Personen ziehen wir an. Diese Leichtigkeit, die es dann dadurch bekommt, hält das Ganze in einem Bereich, der noch Spaß macht. Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres als wenn einen alles so bedeutungsschwanger beschwert, dass es nicht mehr auszuhalten ist. Ich glaube, das gelingt uns ganz gut. Wir sind auch sehr gut im Verfassen von Songs. Das haben wir uns seit der Schulzeit so angelernt, dass wir einfach mit zwei Gitarren, oder einer Gitarre und einem Bass, zwei Bässen oder zwei Pianos, einfach zwei Instrumenten, von mir aus zwei Bongos, aus dem nichts heraus eine Skizze entwerfen können. Das geht nur zu zweit und würde alleine nicht funktionieren. Das ist wirklich ein Geschenk und funktioniert bei uns immer. Da habe ich nie Angst, dass uns die Kreativität ausgeht. Wir würden noch Musik machen, selbst wenn wir das nicht mehr veröffentlichen und kein Mensch das mehr hören will. Wir würden uns trotzdem noch treffen und jammen. Ich glaub, das brauchen wir einfach, um normal zu bleiben oder um einfach abzustecken, ob noch alles in Ordnung ist.

Ihr kennt Euch seid Eurer Kindheit. Was macht das besondere Verhältnis zwischen Euch beiden aus?

RH: Na ja, wir kennen uns ewig lange, und verbinden tut uns nicht nur das, sondern auch das Musikmachen, so wie wir das heute machen. Wir haben uns kennen gelernt, als wir zehn Jahre alt waren. Da war noch nicht viel mit Musiker sein. Diese ganze Entdeckungsreise, von Musik entdecken, irgendwo am Instrument herumklimpern und dann zusammen spielen und schließlich das Ich mit einzubringen, das ist, wie Richard grad gesagt hat, eher etwas, das einem im Leben so folgt wie ein Schatten. Das passiert nicht bewusst in dem Sinne, dass man Dinge mag oder nicht, sondern ist eher vergleichbar mit der Situation mit den Kindern: es passiert einfach. Und das ist das Schöne am gemeinsamen Musikmachen, dass man sich eben nicht mehr durch irgendwas definieren muss, von wegen, das ist jetzt aber schon der dritte Song mit dem und dem, lass uns mal darüber reden. Es kommt einfach und kennzeichnet die Magie des gemeinsamen Arbeitens. Schon eine schöne Geschichte. 

Ihr kennt Euch länger, als Du Peter Kruder kennst, Richard. Auch habt Ihr mehr Musik zusammen veröffentlicht, als Du und Peter. Dennoch galten Tosca stets als Nebenprojekt von Kruder & Dorfmeister. Wie kommst Du damit klar, Richard?

RD: Also ungeplanter Weise genial, finde ich. Ich lege ja mit Peter auf und wir pflegen gemeinsam das Label. Aber wenn man das so geplant hätte, wäre es genial geplant gewesen. Ich mag es, Dinge so zu belassen, wenn sie ihren Höhepunkt erreicht haben, statt sie durch irgendwelche Aktionen zu zerstören. Insofern war dieses Projekt, ungeplanter Weise, für mich als Seitenprojekt ideal. Weil ich da plötzlich völlig frei war, musikalisch etwas zu tun. Bei diesem Projekt bestand nie der Druck, so gut sein zu müssen wie nur irgendwas. Es war immer ein Experimentierfeld: wir treffen uns, jammen und dabei entsteht irgendwas. Bei K&D war es ab einem gewissen Punkt sicher so, dass der Druck unerträglich wurde. Es war so eine Erwartungshaltung. Deshalb haben wir dann auch das Album nicht gemacht. Weil wir aus Druck heraus ganz schlecht arbeiten können. Es muss immer ganz frei und leicht entstehen. Die Remix-Compilation „Sessions“ war ja auch eine Zusammenstellung von fünf Jahren Arbeit und entstand nicht in vier Monaten. Vom Arbeitsprozess sehe ich das immer noch so, auch wenn dieses Album hier innerhalb von zwei Jahren entstanden ist. Aber es sind lauter kleine Tagebuchschnipsel, die nach Jahren ein Album erzeugen. Deshalb habe ich auch nie verstanden, dass Leute in ein Studio gehen und innerhalb von zwei Monaten ein Album aufnehmen. Das ist für mich absurd. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wir machen eine Skizze und dann wird Wochen, Monate später weiter gearbeitet, gemixt und gemastert. Das durchschreitet so einen Prozess. Das kann manchmal auch ein Jahr dauern, bis sich der Knoten dann auflöst. Deswegen bin ich nicht unglücklich über die Situation so wie sie ist, auch wenn Tosca nicht so viele Leute erreicht, weil es offensichtlich nicht identifizierbar ist mit K&D. Stört mich aber nicht. Wir bauen das Projekt ohne Stress einfach weiter, auch einfach für uns.

War der Erfolg der „K&D Sessions“ sowie Eurer „DJ Kicks“-Folge so gesehen ein Segen oder ein Fluch?

RD: Na, man muss das schon richtig bewerten können. Wenn etwas erfolgreich ist, muss man das auch positiv kanalisieren können. Das spielt ja alles zusammen. Wenn man dieses nicht gemacht hätte, hätte man das und das nicht gemacht. Ich bin immer nur auf einer Baustelle tätig. Wir machen jetzt das und versuchen, es so gut wie möglich zu machen. Verpackung, Produktion – alle diese Komponenten sollen stimmen. Und dann kommt das nächste. Aber ich setze das nicht Beziehung zu einer Veröffentlichung, die sechs Jahre zurückliegt. Wir machen jetzt das, und das machen wir so gut wie möglich.

Wie hat man sich die gemeinsame Arbeit von Euch beiden im Studio vorzustellen?

RH: Na ja, für einen, der das beobachten würde, wäre das bestimmt extrem langweilig. Weil man mal ein bisschen rumjammt, und dann findet man einen Sound, der einem gefällt. Und dann ist das wieder ein Tag, den zum Sprechen zu bringen. Und dann mag vielleicht, aber nicht sehr oft, wer kommen oder uns ein bestimmtes Element schicken auf CD oder so. Aber es ist eigentlich, man weiß es ja selber nicht. Ich frag mich auch, wenn zwei zusammen ein Buch schreiben irgendwie auch, wie machen die das? Aber wahrscheinlich hocken die einfach da und werfen sich irgendwelche Worte an den Kopf. Ich würde das jetzt eher als etwas Introspektives bezeichnen. Von außen sieht man nicht viel Bewegung, sag ich mal.

Wofür steht die Achterbahn auf dem Cover von „J.A.C.“?

RH: Na ja, Life is a rollercoaster. Wie so oft bei uns hat sich das ergeben aus dem Tag, als wir da Fotografieren waren. Wie beim Musikmachen haben wir möglichst viele Fotos machen lassen, um dann auszusuchen. Rein vom Sujet her gefiel uns das am besten, weil es so nach oben abschließt, intern dann ziemlich chaotisch ist und nach unten ausfranst. Das ist so, als ob man reingehen könnte. Man geht rein in eine Situation und dort gibt es dann gut und schlecht, lustig und traurig. Das ist eigentlich das, was man vielleicht in der Jugend versucht zu vermeiden, weil man am liebsten immer gleich drauf wäre. Irgendwann holt es einen ein und man stellt fest, dass man halt nicht immer gleich drauf ist, sondern heute ist es scheiße.

Wechselnde Stimmungen – ein Problem der Jugend oder nicht vielleicht doch eher des Alters?

RH: Also bei mir ist es eigentlich umgekehrt. Ich komme eigentlich immer besser klar mit dem, was Sun Ra mal mit den Worten beschrieben hat: Das Schlimmste ist, dass man mit sich selber das ganze Leben leben muss. Sich selber zu akzeptieren und die Tatsache, dass in der eigenen Wahrnehmung die eigene Person nur ein kleiner Teil ist. Wenn dann Sachen passieren wie ein Unfall, irgendeine immense Liebesgeschichte oder ein Kind, merkt man, dass man aus verschiedenen Personen besteht, von denen nur ein Teil die Person Rupert ist. Das liebe ich so an dem Tosca Projekt, dass es Bereiche von mir abbildet, an die ich alleine gar nicht mehr rankomme. Dass da unterbewusste Ebenen bei mir erreicht werden. Insofern ist das mit diesem gleichsam plastischen Cover in schwarz-weiß sehr gut gelungen, diese Thematik ein bisschen anzureißen.

Was erfährt der Hörer durch Eure Musik über die dahinter stehenden Personen?

RD: Also ganz offensichtlich ist es nicht, ein bisschen mystisch bleibt es schon. Soll es auch sein. Wir haben diesmal mehr gezeigt, zumindest optisch kriegt man mehr mit als sonst. War ja bisher wirklich verdeckt dieses Projekt. So ein Album ist immer auch ein Prozess der Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis, auch vor allem, wenn man dann drüber spricht. Du sprichst ja beim Produzieren nicht so viel über das Ganze. Du machst es, es entsteht und dann ist es so. Erst nachher versucht man, es in Worte zu fassen. Für uns ist so etwas wie jetzt auch immer ein Erkenntnisprozess. Ich bin auch überrascht, was man selber plötzlich so von sich gibt über die Musik. Musik ist ja eigentlich nicht in Worte zu fassen. Ist ja oft nur ein Gefühl. Plötzlich muss man darüber sprechen, oder wie ein Journalist, der schreibt. Du kaufst ein Musikmagazin und liest über Musik, die du nicht einmal gehört hast. Das soll man sich dann per Wort vorstellen. Völlig absurd. Es soll schon ein bisschen mysteriös bleiben, finde ich. Die Projektion soll offen bleiben. Wenn alles klar oder alles immer gleich bleibt, ist es ja auch langweilig. Wenn der Himmel immer blau ist, ist es auch langweilig. Der Sturm oder der Regen macht es spannend, oder die Wolken. Denn die gehen ja auch wieder vorbei. Das ist das, was Rupert vorhin gemeint hat, dass man seine Stimmungen akzeptiert und damit auch besser wird, statt sich gehen zu lassen. Ein bisschen Verantwortung tragen lernt. All diese Dinge. Da wächst man, und ich finde das eigentlich auch ganz gut so. Wer weiß, beim nächsten Album haben wir dann nur noch weiße Haare. Das heißt dann „When I’m sixty-four“, oder nein „Jetzt sind wir sixty-four“.

RH: Also wenn man so gefragt wird, und das hat ja jetzt schon was gesprächstherapeutisches, da sind wir sicher seriöser uns geben wollend als wir eigentlich sind. Es ist halt ein anderer Bereich. Das, was wir tun und das, was wir dann darüber sagen, das sind auch irgendwie zwei Paar Schuhe.

Wie geht man damit um, über die eigene Musik sprechen zu müssen? Kommt nach einer bestimmten Anzahl Interviews der Punkt, wo man nichts mehr dazu sagen kann?

RD: Nein, ich glaube, man wird sogar immer besser. Wir versuchen, uns nicht immer zu wiederholen, sondern neue Facetten rein zu bringen. Wir erweitern den Erklärungsprozess mit jedem Interview. Ein Kind braucht ja auch fünfzig Anläufe, bis es irgendwas kapiert. Man kann da viele Analogien zu Babies ziehen. Insofern stört mich das überhaupt nicht. Man wird, wie gesagt, eher immer besser. So wie das Baby dann immer besser sitzen oder krabbeln kann. Das ist auch irgendwie ein Training. Aber so viele Interviews geben wir jetzt auch wieder nicht. So schlimm ist es nicht. 

Das Interview führte Stephan Oettel (Redakteur und Moderator der Sendung 'Blue Notes' auf Jam FM) am 21.04.2005 in Berlin

Mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt von !K7-Records


dehli 9

J. A. C.
Tosca - Discography

longplayers

suzuki (!K7/Rough Trade, 2000) war fünf Wochen in den deutschen Top 100, höchste Platzierung 48.
dehli 9 (IK7/Rough Trade,2003) vier Wochen, höchste Platzierung 52.
J. A. C. (!K7/Rough Trade, 2005) bisher eine Woche, Platz 92.

sideworks

different taste of honey (G-Stone/Soulfood, 2004) remixes of 'honey'
suzuki in dub (G-Stone/Soulfood, 2004) remixes 
chocolate elvis dub (G-Stone/Soulfood, 2004) remixes of 'chocolate elvis'
fuck dub mixes (G-Stone/Soulfood, 2004) remixes
opera (G-Stone/Soulfood, 2004) compilation

diverse maxi-singles



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