THE VISION - 1987
"10tracks of reggae & dub music"
Debut-LP von 1987, mp3-re-release June 2009
"dubvision"
ihre zweite LP von 1988 ist die erste lupenreine Dub-LP eines
deutschen Acts überhaupt, mp3-re-release July 2009
"politoxicomania"
ihre dritte LP von 1990, mp3-re-release September 2009
Leider nur ein kurzlebiges Side-Projekt: die VISIONAIRIES 1988
Vier Mädels und, nein, es ist nicht SIMON GALLUP von THE CURE, sondern FE
WOLTER
THE VISION - 1990
THE VISION - 1991
mental healing - 1994
instrumental healing - 1994
THE VISION - 1996
namas te - 1996
dub light - 1998
discography FE WOLTER:
(longplay releases only)
mit THE
VISION
10 tracks of reggae and dub music, 1987
dubvision, 1988
politoxicomania, 1990
dub revision, 1991
mental healing, 1994
instrumental healing, 1994
namas te, 1996
dub light, 1998
(alle auf Fünfundvierzig Records, bis auf 'dub revision' sollen alle
wiederveröffentlicht werden)
als
PRE-FADE LISTENING
way back home, 1998
solarized, 2000
als
PFL
blue dubsessions, 2003
als
TRANCE VISION STEPPERS
trance vision steppers, 1996
tvs, 2002
als
TVS
all about chinese fortunecookies, 1997
tvs2, 2003
stand strong (w/ RAS MILO), 2005
mit CHIN
CHILLAS
l.t.d.,
announced
als
DUBVISIONIST
dubvision II - the 20th anniversary,
announced
Links
Felix Wolter
MySpace
Roots
Visionist MySpace
Perkussion
& Elektronik MySpace
aktuell:
zum 20. Releasetag von
"dubvision" - dubvision II mit vielen "Tributen" von
Freunden, unter anderem auch GENTLEMAN
September 2009
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Erster
Teil: Das Reggae-Town-Interview
Jens:
Hallo Felix, du hast mit THE VISION eine der ersten Reggae- und Dub-Bands Deutschlands gegründet. Wann genau war das und wie kam es
dazu?
Felix:
Also - die ersten waren wir bei Weitem nicht. Bei der ersten deutschen Reggaeband, die
ich Ende der 1970er Jahre gesehen habe, saß Curvin (Anm. d. Red.: JAMAICA
PAPA CURVIN) am Schlagzeug. Die Band kam, soweit ich mich erinnere, aus
Hamburg. Das war zeitgleich mit der ersten großen Reggaewelle und dem
weltweiten Durchbruch von BOB MARLEY. Wir haben in unserer Clique dann
auch ziemlich schnell mitgeschnitten, dass es da noch viel mehr aus der
Richtung gab. Diese Mischung aus Spiritualität, Rebellion und Rhythmus
ließ sich hervorragend auf unser Lebensgefühl übertragen.
Schon vor meiner ersten professionellen Band DER MODERNE MAN
Anfang der 1980er wollte ich eine Reggae-Band gründen. Ich bin dann aber
vom Sänger Mattus, der eigentlich bei mir Bass spielen sollte, für DER
MODERNE MAN weggecasted worden. Dort hatte ich auch schon
Reggaeelemente in unseren New Wave Sound mit eingebracht, aber weiterhin
den Wunsch, eine reine Reggaeband zu gründen. Zu der Zeit hörten wir
Roots der späten 1970er von SLY & ROBBIE und natürlich die
Dubklassiker von SCIENTIST, LEE PERRY und KING TUBBY. Auch KEITH HUDSON, DILLINGER,
TOOTS & THE MAYTALS sowie die New Yorker Wackies-Produktionen waren bei uns auf Grund ihrer urbanen Kompatibilität sehr
hoch im Kurs.
Mitte der 1980er Jahre habe ich JAMES JOSEPH und JEFF FONTAINE aus Dominica
hier in Hannover getroffen, mit denen wir dann RADICATION SQUAD gründeten.
Damit hatten wir das erste Mal ein ganzes Musikprogramm auf Reggaebasis.
Wir haben die Songs von James eingeübt und gespielt, Auftritte und
Aufnahmen gemacht und die musikalischen Grundlagen für unser Folgeprojekt
THE VISION gelegt. Zur Unterstützung hörten wir natürlich "Rodigans Rockers on
BFBS". Das war Kult und jede Sendung wurde auf
Tape gezogen und den Rest der Woche "studiert" (lacht).
Zur Gründungsbesetzung gehörten Natalie Deseke a.k.a. SISTA NATTY oder auch
'Miss D.' und Jens Müller a.k.a. 'Rude 66' oder 'Trigger'. Wir drei waren
'THE VISION'. Zunächst war es ein
reines Studioprojekt. Jens, als musikalischer Libero, konnte alle relevanten
Instrumente spielen, die man für einen Reggaesong braucht. Ich spielte
Schlagzeug, ein bisschen Bass und hatte mich schon damals um die
Aufnahmetechnik gekümmert. Natalie war unsere Frontfrau, Sängerin und
Perkussionistin. Aus dem Gedankengut, das in der Band diskutiert wurde,
formulierte Natalie dann ihre Texte. Als Backingband für Liveauftritte
hatten wir Musiker der Herbman Band, einer reinen Reggaeband aus Varel. Es
war damals gar nicht so leicht, Musiker zu finden, die wirklich Reggae
spielen konnten. Die Rock-Kollegen meinten "Reggae ist immer das
Selbe. Das ist doch einfach". Aber jeder, der mal angefangen hat,
Reggae zu spielen, der weiß, dass dem nicht so ist. (lacht) Du musst
schon den Vibe wirklich spüren und umsetzen können. Das ist eine eigene
Welt, die man sich erst einmal erschließen muss und damit hatten wir
ernsthaft ab 1985 begonnen.
1987 hatten wir unseren ersten Reggae Release am Start. Die
Indie-Plattenfirma 'Fuenfundvierzig' von Piet Manns veröffentlichte
die '10 Tracks of Reggae and Dub Music', das erste Vocal-Album von THE
VISION. Ein halbes Jahr später folgte mit 'Dubvision'
das erste deutsche Dub-Album mit Versions aus dem Erstling.
Das ging dann zehn Jahre so weiter. Im Winter gemütlich im Studio, im Frühjahr
kam das Vocal-Album zur Tour, im Sommer haben wir Festivals gespielt und
zur Herbsttour kam dann das Dub-Album. Wenn wir nicht im Studio waren,
waren wir mit knapp zwölf Leuten unterwegs auf Tour.
Jens: Du hast eben gesagt, dass du BOB MARLEY
noch mitbekommen hast?
Felix: Eben leider nicht persönlich. Ich habe das letzte Konzert
verpasst. Ich hatte die Chance, mit Leuten nach Hamburg zu fahren und
dachte "Och ne, das machst du nächstes Jahr!". Aber dazu kam es
nicht mehr. Das werde ich mir ewig vorwerfen. Klitzekleiner Trost: PETER
TOSH habe ich noch in Hannover gesehen in der Niedersachsenhalle mit
seiner Machine-Gun-Gitarre.
Jens: Ich stell mir das schwierig vor, in der
Zeit überhaupt etwas über Reggae und die Hintergründe zu erfahren. Da
steckt doch mehr dahinter, als das Gehörte eins zu eins zu übertragen
und nachzuspielen. Wie habt ihr denn damals den Stil kennen gelernt und
die Musik bezogen? Woher wusstet ihr was ihr da macht?
Felix: Reggae war für mich immer
eine spirituelle Musik und das hat mich interessiert. "Who knows it,
feels it" Und wenn man damit erstmal angefangen hat, lässt es einen
bekanntlich selten wieder los (lacht). Meine "große Schwester" Jutta
war die erste, die uns mit diesem Sound versorgte, Ralf und Wolfgang vom
lokalen Plattenladen Musicland achteten auf ein breites Angebot, welches
sie unter Anderem von Carlo oder Andy bezogen. Bei RADICATION SQUAD haben
wir dann die praktischen Anleitungen bekommen und mussten ausprobieren,
wie wir diesen Sound umsetzen konnten.
Dieser bassige Sound hatte uns angesprochen. Die dicken Bässe waren ja
damals noch ein Novum und noch längst nicht auf die allgemeine Popkultur
übertragbar. Bassbetonte Musik findet sich heute nicht nur im Reggae,
sondern funktioniert in allen Dancemusic-Stilen. Diese Selbstverständlichkeit
mussten wir uns in einer von Pop-Rock dominierten Zeit erst einmal erkämpfen,
wie auch den Respekt der Kollegen von 'HANS-A-PLAST', Manfred
Wieczorke und Heinz Rudolf Kunze, die uns Studios zur Verfügung
stellten. Im Staccato Studio zum Beispiel hat es so manches Ringen
um den richtigen Tieftonsound gegeben. Der Professor meinte: "Die Bässe
sind viel zu heftig", und wir: "Nee, das muss so...". (lacht)
Jens: Wie kann man sich denn die damalige Zeit
vorstellen? Die neueste Generation hat es ja, wenn überhaupt, nur über
das Hörensagen aus der Szene oder vielleicht durch das Buch von Helmut
Philipps und Olaf Karnik erfahren.
Felix:
Es gab mehrheitlich Bands, die sich am jamaikanischen Output orientiert
haben. Die Jamaika-Hörigkeit war bei THE VISION nicht wirklich gegeben.
Unsere karibischen Einflüsse kamen aus Dominica und inhaltlich haben wir
eher auf London geschielt.
Was die reggaeaktive deutsche Musiker-Szene der späten 1980er einte, war,
dass wir wirklich alle als Reggaebands an den Start kamen. Wir wollten
keine Rockband sein, die ein paar Reggae-Riffs spielt. Wir wollten als
Reggaeband ernst genommen werden und hatten da unseren Fokus drauf.
Welcher Reggae-Style von den Interpreten nun bevorzugt wurde, war
eigentlich egal. Wir hatten immer Respekt vor der Arbeit der anderen, die
Hauptsache war der Reggae-Vibe.
Jens: Helmut hat in seinem erwähnten Buch
mit Olaf Karnik von einem legendären
Konzert berichtet, wo die damals drei größten, oder eher gesagt die
einzigen bekannteren deutschen Bands aufgetreten sind...
Felix: Das war 1988 das
Benefizkonzert für die Opfer von Hurrikan 'Gilbert' auf Jamaika. Die HERBMAN
BAND spielte Roots und Dancehall, NATTY U versüßte uns den Abend
mit Lovers Rock und THE VISION traten zum ersten Mal mit ihrer weiblichen
Begleitband als VISIONAIRIES zur punky Reggae Dub Party mit Helmut
Phillipps am Mischpult an. Die Musiker fanden diesen Abend klasse und wir
verstanden uns alle prima Backstage. Nur das Publikum war diesen "Unity-Schritt" noch nicht mitgegangen. Mit jeder Band wechselte die
dazu gehörige Fanschar vor der Bühne, und während die anderen Bands
spielten, wurde im Foyer nur gelästert. Ich empfand das damals als etwas
eng und hermetisch. Wie wir sehen, neigte der durchschnittliche Reggae-Fan
also schon damals etwas zu Streitsucht und Besserwisserei (lacht).
Jens: Kannst du dich erinnern, was oder wen
es neben den drei großen Bands oder Künstlern noch gegeben hat?
Felix: Also man hat da schon so ein bisschen die Scheuklappen
aufgehabt. Ich kann dir leider kaum Namen runter rattern. Man hatte schon
sehr mit sich und dem näheren Umfeld zu tun. Auf den Festivals waren das
auch immer die selben Bands, denen man über den Weg lief. Folgende
Namensliste bildet also nur meine löchrige Erinnerung ab und hat keinen
Anspruch auf Vollständigkeit (lacht): DUBINVADERS, NATTY U, UMOYA, HERBMAN
BAND und CRUCIALS. Aber auch schon damals altgediente Bands wie JAMAICA
PAPA CURVIN, CRIMINAL ZERO, ADISA oder VITAMIN X waren mit am Start. Die Begleitband
von THE VISION haben wir uns aus anderen Bands wie der HERBMAN BAND, den CRUCIALS und auch den
BAREFOOT GIRLS a.k.a. VISIONAIRIES
zusammen geliehen. Um als Studioprojekt etwas auf die Bühne zu bringen,
mussten wir uns überlegen, mit wie viel Aufwand wir unsere Musik präsentieren
wollten.
Was gab es da noch mehr neben den Musikern in der Reggaeszene? In dieser
"Gründerzeit" kamen auch die ersten Reggae-Fanzines und -zeitschriften
raus, wie zum Beispiel "Dread" und "Trenchtown". Die Szene war
noch lange nicht so selbstverständlich wie heute. Am besten beschreibt es
Helmut an der Stelle in seinem Buch, wo er über die Anfänge des
Summerjam schreibt und über die Zustände, die auf der Loreley herrschten.
(lacht) Es war tatsächlich genau so und hatte schon etwas comic-haftiges,
wie die neue Reggaeszene in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, die überhaupt
nicht da drauf klar kam, dass europäische Mittelstandskids in grün,
gelb, roten Klamotten und verfilzten Haarschläuchen am Kopf durch die
Gegend liefen, sich Häkelmützchen aufsetzten und von Irie, Jah und
Rastafari redeten. Das klang zum Teil doch sehr adaptiert, war es zum Teil
vielleicht auch, aber es war auch der Beginn von etwas inzwischen sehr
Eigenständigem. Nun gibt es auch in Deutschland spirituell sehr ernst zu
nehmende Rastafaris, das brauchte alles seine Zeit sich zu entwickeln.
Jens: War euch damals eigentlich bewusst, was
ihr damit auch lostretet? Zum Beispiel bei dem großen Konzert, als ihr
zusammen aufgetreten seid. War das eine Stimmung wie "Hier entsteht
etwas neues in diesem Land"?
Felix: Nein, natürlich nicht
(lacht).
Jens: Gar nicht? (lacht)
Felix: Nein, gar nicht. (lacht) Wir haben einfach nur das
gemacht, was wir machen wollten und konnten. Das war nicht darauf
ausgelegt etwas "Historisches" zu schaffen. Uns ging es um Selbsterfüllung.
Ganz kindlich!
Und das haben wir manchmal sogar sehr sportlich gesehen. Niemand weiß zum
Beispiel vom heimlichen Wettstreit innerhalb der Band zwischen der Sängerin
Natalie, die auf die Vokal-Alben setzte und mir als Dub Produzent, der
eher die Dubscheiben vorne sehen wollte. Am Ende des Jahres, wenn die Abrechnungen
der Plattenfirma vorlagen, haben wir immer unsere
Verkaufszahlen verglichen, und wenn die Vokal-Alben oder die Dub-Scheiben mehr hatten, wurde
gefeiert (lacht).
Jens: Welche Musiker hast du damals selbst
gehört und welche haben dich beeinflusst?
Felix: Ich habe experimentellen Dub Reggae von CREATION REBEL, NEW
AGE STEPPERS, MARK STEWART & MAFFIA, LONDON UNDERGROUND, AFRICAN HEAD
CHARGE und DUB SYNDICATE über On-U Sound Records von ADRIAN SHERWOOD kennengelernt. Dort fand ich auch deutliche Anleihen, die in ganz anderen
Musikstilen begründet sind, wie etwa in der psychedelischen
elektronischen Musik der 1970er Jahre und im Krautrock. Das sind auch so
meine musikalischen Eckpunkte.
Ich bin ursprünglich über Jazzrock, dann über Punk und experimentelle
Musik zum Dub gekommen, in England gelandet, um dann Reggae ernsthafter
wahr zu nehmen. Bands wie MISTY IN ROOTS, LINTON KWESI JOHNSON, ASWAD oder
STEEL PULSE haben uns in politischen und ideologischen Ideen unterstützt
und beeinflusst. Aus dieser Position heraus war es auch ein etwas anderes
Herangehen an Reggae, als es vielleicht bei anderen war, die - etwas
plakativ formuliert - über BOB MARLEY, Kiffen, Strand und Karibik dazu
gekommen sind. Diese Assoziationen hatten mich damals weniger
interessiert. Ich bin über 20 Jahre Reggaemusiker und war noch nie auf
Jamaika, aber schon etliche Male in London. (lacht)
Einer meiner stärksten Einflüsse dieser Zeit war neben MAD PROFESSOR und seinem
Ariwa-Label ganz klar ADRIAN SHERWOOD, den ich 1985 während
eines Aufenthalts in London einfach mal kontaktiert habe. Wir haben ihn
damals richtig aufwendig aufgespürt, indem wir einfach zu den
Plattenfirmen hingegangen sind und gefragt haben, ob sie den kennen.
Irgendwann hatte ich auch meine Nummer dort gelassen und er rief mich dann
zurück und sagte "Was suchst du mich, wer bist du, was willst du von
mir?". Nachdem wir geklärt hatten, dass ich nicht vom FBI bin (lacht),
haben wir uns dann getroffen. Bei diesem ersten Treffen 1985 waren von den
On-U Sound Reggaeleuten unter anderem DEADLY HEADLY (Anm. d. Red.: a.k.a.
Headly Benett) und Bonjo I von AFRICAN HEAD CHARGE und NOAH HOUSE OF DREAD
dabei, bei dessen Bruder ich auch 1991 'ne Zeit gewohnt hatte, als ich in
London war. Und dann war da natürlich noch BIM SHERMAN - Rest In Peace -, ein großer Verlust, dass er nicht mehr da ist. Er war auch ein sehr
wertvoller Mensch für mich.
Was mich damals auch noch sehr beeindruckte, waren die Londoner Dub Dances
von JAH SHAKA. Das war der Original-Sound, das war 'uplifting'. Die Nacht
verging wie im Fluge und am Ende ging man morgens mit mehr Energie nach
Hause, als man vor dem Dance hatte. Diese Shaka Dances waren Ende der 1980er,
Anfang 1990er auch legendäre Geburtsstunden von vielen Projekten wie zum
Beispiel ZION TRAIN oder ALPHA & OMEGA.
Jens: Euch gab es ja eigentlich vor den
ersten puren Reggae-, Dancehall- oder Dub-Plattendrehern in Deutschland?
Felix: Parallel zur Reggae-Bandszene mit Instrumentalisten und Sängern entwickelten sich langsam die
Soundsystems. Das war auch ein langer Weg vom DJ, der mal Reggae auflegt,
bis hin zum Soundsystem mit eigener Anlage und Dubplates. Armin und Uwe
mit ihrem Conquering Sound aus Hannover gehören, soweit ich mich erinnere,
zu den ersten Pionieren der jamaikanisch geprägten Soundsystem-Szene.
Wir hatten mit unserem Drumcomputer "SP12" auch einige Versuche
unternommen, ein Dub-orientiertes Soundsystem zu etablieren. Das war 1988
- aber etwas zu noisy und viel zu trashig für die damalige Zeit, als dass
es von der Reggaeszene akzeptiert werden konnte. Das war Punk mit anderen
Mitteln! (lacht)
Jens: Damit sprichst du etwas an, was mich
selbst schon länger interessiert. Viele Menschen, mit denen ich rede,
sind zu dieser Zeit über Punk zum Reggae gekommen. Du hast ja zwischendurch
auch in Punkbands gespielt, oder?
Felix: Ja, die Band, in der ich Natalie 1983 kennenlernte, war die
Glam/Punkrock-Band CHILDREN OF THE REVOLUTION und mein erster Studiojob
1979 als Sessiondrummer war in Berlin für die Punkband RAMRODS. Dort
machten wir die Aufnahme 'Schickeria, Schweine, Bonzen', die in den 1980ern, wie man mir später erzählte, zur Hymne der Berliner Hausbesetzerszene wurde. Ich spielte zu brettigen Gitarren einen energetisch punkigen
Rockers Beat, ähnlich wie er bei der britischen Skaformation THE BEAT aus
der Zeit zu hören war.
In England gehörten Punk und Reggae Ende der 1970er Jahre zusammen. Es
waren beides neue Styles, die etwas bewegten. Es war die Zeit der "Rock
gegen Rechts"- oder in England "Rock against Racism"-Konzerte. Dort
trafen sich alle politisch korrekten Gutmenschen, um gegen Intoleranz und
Ausgrenzung anzufeiern. Rückblickend kann ich aber sagen, dass die Zeit
auch nicht unbedingt einfacher war. Tschernobyl und amerikanische
Atomwaffen in der BRD hatten uns alle schwer beunruhigt. Left-wing UK
hatte in Thatcher ein ebenso "beliebtes" Feindbild gefunden, wie die
politisch links aktive BRD in Dr. "Birne" Höllmut Kohl.
Jens: Man nimmt das ja auch immer
romantischer wahr, wenn man es nicht miterlebt hat. Das Kultbewusstsein
entsteht oft erst bei nachfolgenden Generationen. Aber wo waren wir? Der
Eindruck, den ich habe, ist, dass vor allem aus dem Punkbereich viele Leute
zum Reggae kamen und kommen. Warum?
Felix: Die Ideologien von Reggae und
Punk sind vielleicht in der Grundausrichtung ähnlich. Dreads wie auch
Punks rebellieren gegen das "materialistische System", gegen
"Babylon", gegen Unterdrückung und Fremdenfeindlichkeit. Das hat
seinen Ursprung in den Riots um den Karneval in London. Das war die Zeit
der "Punky Reggae Parties". Die Bands spielten alle gemeinsam auf Festivals.
Punk, Reggae und Dub wurden in London als ein neuer Trend gemeinsam wahrgenommen.
Das war auch meine Sozialisation, ebenso wie die von Nicolai Beverungen
(Anm. d. Red.: Echo Beach-Labelchef), übrigens ein guter Freund von mir. Der ist
auch immer noch Punk (lacht) und jeder, der ihn kennt weiß, was ich meine
(lacht laut).
Jens: Kannst du dich an das Aufkommen erster
Sounds oder weiterer Acts im Reggaebereich denn erinnern?
Felix: Du fragst sicher nach den ersten Erfolgen der Sounds. Wie
gesagt, die ganzen 1990er Jahre habe ich THE VISION gemacht, hatte wirklich
sehr viel zu tun, war hoffnungslos überlastet als Schlagzeuger,
Bandleader, Produzent und Tourmanager dieser Band und wollte nebenbei noch
mein Tonstudio an den Start bekommen. Die Entwicklung der Soundszene habe
ich nur als Konsument auf Festivals und Dances mitbekommen.
Berauschend waren die Dub Events von Pensi in der Roten Flora in Hamburg.
Das war wirklich der einzige Platz hier im Norden wo Dub so authentisch
klang wie in London.
Ende der 1990er kamen dann SEEED. Nicolai hatte mir eine CD geschickt.
Und mit SEEED kamen hart arbeitende Musiker, die professionell und hoch
motiviert ihr Ding durchzogen. SEEED wie auch GENTLEMAN sind für mich
hervorragende Popkünstler im positiven Sinne! Dass sie Reggae machen,
macht sie nur noch sympathischer (lacht). Ich finde es immer wieder gut, in
den Charts Musik zu hören, die ich wirklich selber mag.
Jens: Weshalb und wann wurde die Band
beziehungsweise das Projekt THE VISION beendet?
Felix: Das hatte mehrere Gründe. Ich hatte schon seit 1991
keinen Bock mehr zu touren, machte aber bis 1997 weiter. Das war die
Phase, in der ich Musik eigentlich nur für mich selber gemacht habe. Das
Touren im Bus, müde irgendwo ankommen und dann noch alles aufbauen. Das
waren alles Dinge, von denen ich nach zehn Jahren einfach ausgebrannt war.
Beim Touren wartest du ständig auf alles - du wartest auf den Bus, du
wartest im Stau, aufs Catering, das Aufbauen, die PA, den Hotelschlüssel,
wartest auf das Publikum und dann kommt es nicht. (lacht) Diese Warterei
war für mich auf Dauer zu anstrengend.
Studioarbeit hat mich einfach mehr angeturnt. 1995 fing ich an mit meinem
Solo-Sideprojekt TRANCE VISION STEPPERS, kurz 'TVS', mehr in
Richtung elektronischer Dubmusik zu gehen, und 1997 löste ich dann die
Liveformation von THE VISION auf, um mehr Zeit für meine Studiotätigkeit
zu haben und um mit Freunden 1998 die "Studio-WG" Time Tools zu gründen.
Jens: Als ich mal leichtsinnig am Telefon
behauptet habe, dass Studioarbeit bestimmt irgendwann ermüdend wird, hast
du mir geantwortet, dass man dich 24 Stunden in ein Studio sperren kann
und du permanent zufrieden und glücklich arbeiten kannst. Was genau gibt
dir denn diese Arbeit?
Felix: Ich bin Workaholic, ich kann morgens aufstehen und
achtzehn Stunden durcharbeiten. Dann bin ich glücklich. Die Arbeit besteht für
mich darin, mich in einen bestimmten emotionalen Zustand zu bringen, wo
ich das Bild, das Musik im Kopf erzeugt, zwischen den Boxen sehen kann.
Das heißt, ich baue Bilder und bin eigentlich ein bildender Künstler, zufällig
eben mit Tönen. Dazu braucht man eine gewisse Ruhe, damit man diesen
Denkpunkt und die Inspiration bekommt. Das dauert einfach auch seine Zeit.
Wenn also die berühmte Frage kommt: "Wie machst du deine Sounds, wie
bekommst du das hin?" kann ich nur antworten: "Das wüsste ich auch
sehr gerne". Ich forsche da seit 30 Jahren dran, wie man das macht
(lacht). Wenn ich es hinbekommen habe, ist keiner erstaunter als ich
selbst. Dieser Moment ist so wunderbar, wenn du dich selbst in Erstaunen
versetzen kannst. Und nach diesem Moment bin ich, glaube ich, süchtig
(lacht). Im Endeffekt ist das Ganze vielleicht ein "Suchtproblem" von
mir. Es ist wirklich der schönste Moment, wenn du merkst, dass du gerade
ein paar Dinger am Mischpult geschoben hast, die auf dem Punkt sitzen.
Die Computertechnik und die Studioarbeitsmöglichkeiten, die wir heute zur
Verfügung haben, sind natürlich wesentlich ausgereifter geworden. Nun
kann man ganz andere Eingriffe machen. Das hat sich wirklich zum Vorteil
verändert. Davon haben wir vor 20 Jahren nur geträumt. Es ist nun vieles
wahr geworden, ich durfte diesen Traum leben und dafür bin ich dankbar.
Über 20 Jahre lang konnte ich machen, was ich wollte und bin sogar dafür
bezahlt worden (lacht). Mehr geht eigentlich nicht. Ich denke, das Wichtigste ist, dass du eine Tätigkeit hast, die dich ausfüllt, mit der
du im Reinen bist.
Klar gibt es ein paar Mixe, die man hätte anders machen können. Heute weiß
ich natürlich vieles besser und habe auch mehr Zeit zum mischen als früher.
Damals mussten wir an einem Abend mit dem Mix durch sein, weil das Studio
am nächsten Tag schon wieder von anderen genutzt wurde. Heute kann ich
mir mit "total recall" in den Rechnern so viel Zeit lassen, wie der
Mix eben braucht, denn ich kann zeitgleich an mehreren Songs arbeiten. Das
habe ich auf der "Dubvision II" so gemacht.
Das Anniversary-Album erscheint demnächst auf unserem Digital-Label
"Perkussion & Elektronik" und enthält neben Dubs von der FAR
EAST BAND und GENTLEMAN sowie TAMIKA & MAMADEE auch alte Tracks von der
HERBMAN BAND und THE VISION. Die alten Sachen mussten wir erst einmal aufwändig
restaurieren, weil die alten Tapes nicht mehr abspielbar waren. Zum Glück
haben wir einen Verlag, der sich um so etwas kümmert. Der Professor weiß,
wie man das macht. Die Tapes wurden bei einer bestimmten Gradzahl eine
bestimmte Zeit im Backofen aufgebacken. Dadurch schmelzen die
Magnetteilchen etwas an und die alte Soundqualität ist für eine
bestimmte Zeit wieder hergestellt, so dass man das 24 Spur 2"-Tape
abspielen und die einzelnen Spuren dann digitalisieren kann. Und so wurde
das alte Material für die Computerarbeit konvertiert und ich konnte davon
neue Mixe ziehen. Das Interessante ist, dass die "Dubvision II" trotz
der Jahre, die zwischen den verschiedenen Aufnahmen liegen, doch sehr
homogen klingt. Es ist ein leichtes Instrumental-Dubalbum mit vielen
Vintagepoints.
Jens: Du hast schon ein wenig die Veränderungen
in der Arbeit und bei der Technik angesprochen seit du im Musikbusiness tätig
bist. Was gibt es denn noch, das sich für dich in diesem Bereich zum
Positiven verändert hat?
Felix::Computer sind Segen und Fluch zugleich. Eine zentrale
Forderung der 68er lautete: "Produktionsmittel dem Volke" und wurde
meiner Meinung nach mit dem PC erfüllt. Der Nachteil der leichteren Verfügbarkeit
von Produktionsmitteln ist, dass es irgendwie auch nichts mehr Besonderes
ist, wenn man was macht. Denn es machen alle was. Und genau das ist das
Dilemma. Nun meint jeder berufen zu sein, Musik zu machen, und da lässt im
Durchschnitt dann doch mal die Qualität etwas zu wünschen übrig. Durch
den krassen Werteverfall in der Musikbranche und die günstigen
Produktionsmittel ist es fast erforderlich, dass heutzutage schon Schülerbands
fertig produzierte CDs, Merchandise-Artikel und Videos am Start haben,
obwohl sie nur um die Ecke in der nächsten Schule spielen. Aber ich finde
es richtig, wenn die jungen Bands gleich lernen, wie es richtig geht, um möglichst
selbstverantwortlich und unabhängiger handeln zu können. Am Ende finde
ich diese Entwicklung sehr gut.
Jens: Du hast ja schon die "Dubvision II"
und Sachen für GENTLEMAN oder die FAR EAST BAND erwähnt. Wie kam es zu
dieser Zusammenarbeit und was machst du sonst so für Produktionen im
Offbeat-Bereich ?
Felix: Ich habe Marco Baresi (Anm.
d. Red.: Drummer bei der FAR EAST BAND) Ende der 1980er kennen gelernt, als
er mich mit THE VISION eingeladen hat, eine Tournee in der DDR zu spielen.
Da habe ich natürlich zugesagt, denn es war damals hip, als Westband in
der DDR zu spielen. Als es endlich soweit war, alle Formalitäten geklärt
waren, die Staatssicherheit unsere Platten und Texte überprüft hatte,
die Marco einreichen musste, und auf alles abgenickt wurde… war das
politische System der DDR am Ende. Die geplante Tournee in der "Noch-DDR" fand dann Anfang '90 statt. Das war ein spannendes Ding und es wurden
Freundschaften fürs Leben geschlossen.
Irgendwann spielte die FAR EAST BAND als Backing Band für GENTLEMAN und
wollte ein Soloalbum machen. Marco aktivierte unsere alte Seilschaft, und
so kam es zu Aufnahmen, erst für die FAR EAST BAND, dann für GENTLEMAN,
und für die EP von Tamika & Mamadee, die wir zusammen mit Christian
Decker (Anm. d. Red.: Bassist von FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE) bei uns im
Time Tools machten. Christian, Marco und ich haben dann auch das FAR EAST
BAND-Album 'Tough Enough' produziert.
Ansonsten mache ich natürlich noch ein paar andere Dinge. Ich bin auch
dem chilligen Lounge- und Downtempobereich verhaftet. Projekte wie PRE-FADE
LISTENING beziehungsweise 'PFL' oder auch CHIN CHILLAZ finden sich auf
vielen Compilations oder TV-Nachtschleifen wie z.B. der "Spacenight"
oder "Flowmotion". Das ist ja meistens ein rotes Tuch für den
eingefleischten Reggaefan, denn diese eigenständige Geschichte des Dubs,
die heutzutage mehr in Wien oder Neuseeland geschrieben wird, gilt ja in
"hermetischen Kreisen" als Hochverrat (lacht). Gegenbeispiel: Wieder
viel aufgeschlossener sind da die Künstler, die auf "beiden
Hochzeiten" spielen, wie z.B. PAUL 'Tikki' ST. HILAIRE, den ich 1989
auf Dominica kennenlernte. Mich faszinierte damals schon seine Stimme und
wir haben ihn dann nach Deutschland eingeladen. Tikki kam und ging dann
nach Berlin, um dort sehr gute Sachen mit Basic Channel, RHYTHM & SOUND und anderen neuen Dubkünstlern zu machen. Die Berliner haben
wirklich eine interessante und vor allem international hoch anerkannte
Verbindung zwischen Dub und elektronischer Musik geschaffen.
Jens: Welche Sachen hörst du denn heutzutage,
wenn du nicht gerade selbst produzierst?
Felix:
Wenig, erstaunlich wenig. Vor einem Jahr hat mir meine Freundin Elke das
"private" Musikhören erst wieder nahe gebracht. Ich hatte bestimmt 15
Jahre kaum privat Musik gehört, echt!
Wenn du am Tag viele Stunden mit Musik zu tun hast, findest du es geil,
wenn du die restlichen Stunden was anderes machst. In der Küche höre ich
nebenbei Radio. Ach ja, YouTube und MySpace gibt es ja auch noch. Nun, da
schau ich auch mal rein.
Jens: Was bekommst du denn von der aktuellen
Szene noch mit?
Felix: (lacht) Nichts. Nein, so
schlimm ist es doch noch nicht. Sehr positiv finde ich Sandokan Intl., die
zur Zeit mein absolutes Top Soundsystem hier in der Stadt sind. Alex und
Silan treffen wirklich sehr genau den Dub-Vibe, dem wir auch als THE
VISION gehuldigt haben. Dann ist auch Jens a.k.a. "Rude 66" (Anm. d.
Red.: Gründungsmitglied von THE VISION) am Vorbereiten von etwas
Neuem. Das wird sehr interessant werden, da bin ich sehr gespannt drauf.
Aber auch zu Benjie und Rebel Sound gibt es guten Kontakt. Neulich gaben
die Jungs einen chilligen Nachmittagsjam in einem Biergarten. Es war warm
und sommerlich, alle waren cool und es gab gute Musik. (lacht) Besser geht
nich! Bei den jüngeren Sounds habe ich bemerkt, dass die Werte, die wir
damals im Reggae gut fanden, von der neuen Generation wieder mehr
aufgenommen werden. Das gibt mir ein gutes Gefühl.
Jens: Neben dem Musikmachen und Produzieren
betreibst du ja auch noch ein Label?
Felix: Wir haben Ende letzten Jahres ein Digitallabel im Time
Tools gegründet. Im Wesentlichen vertreiben wir Compilations, die wir aus
verschiedenen musikalischen Bereichen zusammenstellen, ähnlich wie ich
es die letzten Jahre zuvor bei Moonray Records gemacht habe, nur eben
digital. Das ist auch ganz gut angelaufen, so dass wir uns dazu
entschieden haben, weitere Unterlabel zu gründen.
Mit "Perkussion & Elektronik" habe ich mir eine digitale Plattform
geschaffen, auf der ich meine neuen und alten Reggae-, Dub- und Downbeat-Produktionen veröffentlichen kann. Die Rechte an meinen alten
Produktionen habe ich mittlerweile alle wieder beisammen. Es kann also
losgehen. Am 21.06. werden wir die ersten beiden Alben von THE VISION, nämlich die
'10 Trax of Reggae- and Dubmusic' und die erste
deutsche Dubscheibe 'Dubvision' digital wieder veröffentlichen. (Anm.
d. Red.: Das Transkribieren des Interviews hat natürlich wieder seine
Zeit gedauert und beide Scheiben sind inzwischen veröffentlicht)
Jens: Wirst du auch die "Dubvision II"
releasen?
Felix: Ja, im Juli soll die "Dubvision
II" als erste Neuveröffentlichung kommen. Zusätzlich gibt es mit 'Politoxicomania' auch wieder einen Re-release. Die Wiederveröffentlichungen
bieten wir auch zu einem Niceprice von 4,99 € an. Wir sind sehr gespannt
drauf, wie es anläuft, denn wir haben die letzten Monate viele
Produktionen gesichtet, überarbeitet, katalogisiert und die
Administration organisiert. Das macht denn doch ein bisschen Arbeit, aber
erstaunlicherweise kann ich dieser Tätigkeit inzwischen sogar was
abgewinnen. Es macht ja auch Spaß. Nach wie vor. All bless! (lacht)
Jens: Na dann freuen wir uns auf die Veröffentlichungen,
die da kommen!
Felix: Danke. Ihr werdet die ersten sein, die erfahren, was bei
uns geht. Stay tuned!
Jens: Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Jens P. Neumann von Reggae-Town im Juli 2009
Zweiter
Teil: weitere Fragen von Dub-O-Rama
Dub-O-Rama:
Tontechnik
kann man lernen – das Dubben als Geheimwissenschaft muss man sich aber
selber beibringen, denn schließlich geht es ja auch um den eigenen Style...
Felix:
Ich war schon
begeistert von der Mehrspurtechnik, bei der wir im Overdub- Verfahren
einen ganzen Song bei voller Instrumentierung nur zu zweit aufnehmen
konnten. Dub ist eigentlich ein recht spielerischer Umgang mit Studiogeräten.
Da probierst du aus und auf einmal klingt es. Es hat was von kindlichem
Entdecken. Außerdem ging es uns damals um das „Aufbrechen der Hörgewohnheiten“.
Wir wollten etwas anderes, als das immer wieder gehörte. Bitte dran
denken: Computer und Sampler gab es damals noch nicht. Die Soundvielfalt
oder besser die Sound-Übersättigung war noch längst nicht so
fortgeschritten wie heute. Da fielen ungewöhnliche Mixe von Lee Perry,
Scientist, King Tubby, Mad Professor und auch Adrian Sherwood noch ganz
anders auf. Selbst ausgebuffte Tontechniker waren durch jahrelange Prägung
in ihrem Metier nicht unbedingt in der Lage solche Mixe nachzuvollziehen.
Das war Punk mit anderen Mitteln – und wir standen drauf.
Dub-O-Rama:
Du bist Adrian Sherwood, den Künstlern aus dem Dunstkreis von On-U
Sound, Jah Shaka und vielen anderen Machern britischen Dubs begegnet.
Damals war fetter Neo-Dub angesagt, doch Deine eigenen Arbeiten in Dub
haben sich stets viel Verspieltheit bewahrt. Verspielt wie kraftvoll
zwischen rootsy vintage Dub und zeitgenössischem Chill-Out Dub, aber
keine fetten House-Dub oder Techno-Dub-Geschichten.
Felix: Dem Dub House widme ich mich eher in
Remixen. Dafür arbeite ich in unserer „Studio-WG“ Time Tools gern mit
unserer Deep House Abteilung um 11_Inch, Senso und in Persona; Christian
Weiland zusammen. Deep House, Dub House und Steppers sind schon etwas
verwand. Diese mehr elektronische Gangart bediene ich mit meinem Projekt
„tvs“ oder auch „Trance Vision Steppers“ genannt.
Dub-O-Rama:
In
Zusammenarbeit mit dem großen Electronic-Pionier Klaus Schulze hast
Du den phantastischen Chill-Out-Dubber „Test Dept.“ auf der „tvs2“
hingelegt! Was gibt es über Deine Begegnung mit ihm zu berichten?
Felix: Klaus
Schulze habe ich 1982 das erste Mal getroffen, als wir Teile der "Unmodern"-LP
von DER MODERNE MAN bei ihm im IC-Studio in Winsen aufgenommen haben. Das
war ganz spannend, weil Klaus zu der Zeit ebenfalls im Studio war und
vornehmlich nachts an seinen Sachen arbeitete. Da man ja damals erst die
drums einspielte, dann die übrigen overdubs, waren die Drummer immer als
erste fertig. So auch ich – und der Drummer von Klaus auch. Das Glück
wollte es, dass Klausens Drummer niemand geringeres als MICHAEL SHRIEVE
war! So kam ich in den Genuss, beim SANTANA-Drummer der Woodstock-Zeit ein
paar drum-lessons zu bekommen. Jahre später habe ich Klaus dann bei den Kölner
Chill-Elektronik-Experten SOLAR MOON wieder getroffen. Er lud mich in sein
Studio ein und bei einer leckeren Flasche Wein haben wir dann den Track
"test dept." aufgenommen. Das ganze war eine zwanglose
Versuchsreihe zum Thema "klassische Moog Sequenzer Linientreffen auf
Dubarrangements mit entsprechenden Echo- und Halleffekten". Wir
hatten eine gute Zeit. Ich fand den Track natürlich auch schon klasse, während
Klaus noch nicht einmal das Intro richtig fertig gespielt hatte. Seine
Soundscapes sind ja eher episch angelegt und seit Einführung der CD
selten unter 80 min Laufzeit. Da ist das schon eine Übung, mir Ihm einen
Track mit "nur" 8 min. hinzukriegen.
Dub-O-Rama:
Gibt
es den Drummer FE WOLTER noch? Oder verstaubt Dein Drum-Set inzwischen in
einem Keller?
Felix:
Ich spiele in der Tat nur noch sehr wenig Schlagzeug. Nachdem ich THE
VISION Anfang 1997 aufgelöst hatte, habe ich mich mehr in Richtung Studio
und Produzieren ausgerichtet. Ab und an haben mich Dub-Kollegen, wie z.B.
MATTHIAS ARFMANN vom TURTLE BAY COUNTRY CLUB oder NOISESHAPER
noch mal für live am Schlagzeug bzw. an den Percussions
eingeladen, aber im Grunde ist meine jetzige Tätigkeit am Mischpult für
mich die schlüssigere Weiterentwicklung meiner Talente.
Instrumentbezogenen Ehrgeiz habe ich nie so richtig entwickelt. Ich war
immer schon produktorientiert.
Dub-O-Rama:
Was war Dein schönstes Live-Erlebnis bei einem Konzert mit THE VISION?
Das bemerkenswerteste Konzert?
Felix: Die
wohl schönsten Konzerte von THE VISION waren auf der Loreley bei den
ersten Summer-Jams. Der Backstagebereich ist einfach definitiv der schönste
in ganz Deutschland. Die bemerkenswertesten Konzerte waren wohl die der
Noch-DDR Tour, die von Marco Baresi (jetzt Far East Band) und Lanni
(Pioneer von Germaican) organisiert wurden und im Frühjahr 1990
stattfanden.
Dub-O-Rama:
Sind die Re-Releases reine Remasterings oder wurde hier und da doch
noch ein wenig mehr, oder gar manches mal doch noch richtig dran rumgefrickelt?
Felix:
Die
Re-releases sind nicht ge-re-mastered. Das wurde ja damals schon für die
CD-Produktionen auf Digitalniveau gemacht. Es gibt aber ein paar Trax, die
damals noch gar nicht veröffentlicht wurden, wie z.B. einige
Interpretationen der "VISIONAIRIES" oder eben die neuen Remakes
auf der demnächst erscheinenden "dubvision II". Die
wurden jetzt nach dem heutigen Standard von ENRICO MERCALDI für Time
Tools Mastering bearbeitet.
Die Fragen des
zweiten Teils führte Bernhard Groha
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